Schachtspäddchen
Bis zum Schachteinsturz im Apfelbaumerzug 1908 waren die meisten Berufstätigen im Bergbau in der Gemarkung Brachbach selbst beschäftigt. Neben dem Apfelbaumerzug u. a. auf Langgrube oder im Wernsberg. Durch die Stilllegung dieser Eisenerzgruben waren plötzlich einige Hundert Männer, Frauen, Mädchen und Jungen ohne Arbeit. Diese fanden sie aber schnell zumeist auf dem Eisenzecher Zug (genannt Kaiserschacht, nach Kaiser Wilhelm I.) im oberen Kesselborntal von Eiserfeld und auf Concordia in Dermbach. Bis zum Jahre 1914 waren es wohl einige Hundert Bergleute Untertage und ca. 100 Mädchen und Jungen, die in den Aufbereitungsanlagen über Tage tätig waren. Die Schicht der Männer (ab 16!) unter Tage ging in diesen Jahren von 6 - 14 Uhr. Die Übertagebelegschaft arbeitete von 7-17 Uhr. Da aber alle Beschäftigten den Weg zu Fuß antreten mussten, bedeutete dies einen beschwerlichen, gut eine Stunde andauerten steilen Marsch über Apfelbaum-Kreuzeiche zum Arbeitsort. Täglich – außer sonntags! Dieser Fußweg, von Tausenden Paar Nagelschuhen bis auf den Fels ausgetreten, war das Schachtspäddchen.
Namenherkunft
„Schacht“, nach Kaiser-Wilhelm-Schacht (Kaiserschacht) war die gängige Bezeichnung des Eisenzecher Zuges, mit 1.343,33 m Gesamtteufe (Tiefe) seinerzeit tiefste Grube Europas.
„Päddchen“- von (kleiner) Pfad.
Zwei Brachbacher Bergleute 1930 mit „Kaffibläch“ (Trinkflasche) und „Ohmössack“ (Verpflegungsbeutel) zu Fuß auf dem „Schachtspäddchen“ zur Arbeitsstelle Kaiserschacht, Eiserfeld.
Links: Ernst Hussing (Ströhrersch Ernst), *24.08.1907 +20.06.1954 (Staublunge); Uropa von Lorena Kappes (geb. Schuhen)
Rechts: Aloys Vitt (Vitts Alwies), *21.06.1902 +05.03.1949 (Staublunge); Urgroßonkel 4. Grades von Lukas Zöller
Anekdoten und Geschichten
Tageslauf der Hahljongen u. Mädchen
Morgens um 5 Uhr wurden wir geweckt
Mutter hatte den Tisch schon gedeckt,
nach kurzer Stärkung war es an der Zeit,
denn der Weg war ja soweit.
Die Oomesdongen (Butterbrot) hatte sie schon gemacht
12-14 Ranken waren eingepackt.
Den Oomesack auf den Rücken
u. fort gings mit Entzücken!
Der Weg war beschwerlich, bei Tag u. bei Nacht; es ging bergauf u. bergab!
Unterwegs hatten sich Viele zusammengefunden, es waren ja immerhin 100 Mädchen u. Jungen.
Wir gingen immer mit Humor u. Freude,
was wohl der Tag uns bringen wird, heute?
Im Winter war es besonders schlimm,
bei Schnee u. Glatteis u. all dem Gestürm!
Wir waren froh, daß wir nach einer Stunde, beginnen konnten unsere Tagesrunde!
Um 7 Uhr begann unsere Schicht,
der Steiger gab acht, daß wir taten unsere Pflicht;
drei Pausen waren eingelegt
Hunger hatten wir Ja immer
wenn wir daran dachten, wurde es noch schlimmer!
Um 5 Uhr (17) war unsere Schicht zu Ende u. zurück gings um die Kreuzeicheswende.
Die Mutter hatte gut gekocht, zumal am Lohntag denn für uns Alle war es immer ein Feiertag!
Wir freuten uns alle, daß wir mit konnten verdienen, hatten ja alle große Familien.
So plauderten wir abends vom Tagesgeschehen,
um 9 Uhr (21) ging`s ins Bett und dankten Gott beim Abendgebet,
Glück-Auf!
(Erinnerungen von Clemens Bätzing *1898-1980)
Schadenfreude
Besonders im Winter war der Weg über das Schachtspäddchen sehr beschwerlich. Bergauf durch teilweise 50cm tiefen Schnee zu stapfen war schon eine Anstrengung. Die ersten Spurengeher hatten es naturgemäß besonders schwer so daß man sich gerne aus der Spitzengruppe nach hinten zu verdrücken versuchte. Klar waren die Abmarschzeiten fest, zu Winterzeiten verabredete man sich aber gerne auch früher. So wird bis heute die Geschichte kolportiert, dass man einem großen, breitschuldigen und mit riesigen Füßen (vlt. aber etwas zu wenig Verstand) ausgestattetem Kumpel sagte: „Morgen früh treffen wir uns wegen dem vielen Schnee schon um halb Fünf!“ Der besagte Kumpel wartete des Morgens zunächst vergebens auf seine Kameraden und stapfte dann stirnrunzelnd (Armband- oder Taschenuhren hatten die da noch nicht) schon mal allein los. Seine schadenfreudigen Kumpel dagegen marschierten in der nunmehr ausgetreten Spur locker-leicht zu der üblichen Abmarschzeit hinterher.